Nachdem schon das Sommerkonzert Ende Juni das Ende der coronabedingten Aufführungspause am Oberrhein-Gymnasium eingeläutet hatte, konnte nun auch die Theater-AG der Klassen 9 bis 12 wieder öffentlich in Aktion treten.
Am 10. und 11. Juli führte die von Anne Lindenberg geleitete Theatertruppe das Stück Auf dem Dorf von Hannah-Sofie Schäfer auf und profitierte dabei zum ersten Mal von erst neulich durchgeführten Umgestaltungsmaßnahmen in der Mensa, welche erlauben, diesen Raum in Kürze von einer Kantine in eine ideale Bühne umzuwandeln. Diese neuen bühnentechnischen Möglichkeiten nutzte das Ensemble auch vollumfänglich aus und brachte eine Inszenierung zur Aufführung, die sowohl durch die schauspielerische Leistung der Beteiligten als auch durch das beeindruckende Spiel mit Raum und Licht überzeugen konnte.
Das Theaterstück „Auf dem Dorf“ ist ein bewusst für junge Erwachsene geschriebenes Stück, in dem sich drei Mädchen und drei Jungen am Ende ihrer Schulzeit ihrer Zukunft und damit wegweisenden Entscheidungen für ihr Leben stellen müssen: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was macht mich aus?Wo soll der Weg hingehen? Soll ich gehen und damit Sicherheit und Konstanz verlassen? Oder lieber bleiben und mein Leben vor Ort aktiv und kreativ gestalten?
Alle sechs Jugendliche sind im gleichen, sehr ländlichen und beengenden Dorf aufgewachsen und sehnen sich nach dem Aufbruch in die „große, weite Welt“. Das Tor zu dieser Welt stellt für sie der Fußballplatz des Dorfes dar, welcher der einzige Ort ist, an dem die Jugendlichen Netzempfang haben und so zumindest virtuell ihre Grenzen überschreiten können. Diese Situation wurde durch eine in der Ecke aufgebaute treppenartige Tribüne veranschaulicht, die das Streben der Figuren nach mehr und nach Freiheit symbolisierte. Die durch kleine Taschenlampen dargestellten Handys, welche die Schauspieler in einer dunkel gehaltenen Atmosphäre immer wieder aufleuchten ließen, wirkten gleichzeitig wie Irrlichter von Menschen, die sich noch nicht gefunden haben, und wie Orientierungs- und Hoffnungspunkte, die gleichsam Licht in das Dunkel des beengenden Alltags brachten. Gerade die Reduktion auf einfache Mittel und ein schlichtes Bühnenbild konnte so die wesentlichen Aspekte des Stücks veranschaulichen.
Doch trotz dieser Gemeinsamkeit der Jugendlichen konnten die Schauspielerinnen und Schauspieler durch ihr Spiel und ihre Sprechweise gerade auch die Individualität und Vielfalt der Biografien, Wünsche, Sehnsüchte und Lebensperspektiven der Jugendlichen überzeugend zum Ausdruck bringen, sei es in kurzen, expressiv gesprochenen Statements oder in schnellen, schlagabtauschartigen Dialogen, alleine auf der Bühne oder im perfekt harmonisierenden Zusammenspiel mit anderen. Auch die durch tragbare Scheinwerfer gezielt eingesetzte Lichttechnik und die Anordnung der Figuren auf der Bühne unterstrichen die einzelnen Charaktere und ihr Verhältnis zueinander.
Neben den sechs Hauptfiguren stand aber auch der „Chor der Alten“ mit auf der Bühne, der im Hintergrund mehr oder weniger ständig präsent war und die Suchbewegungen der Jugendlichen in einen größeren Kontext einbettete, indem er sie in die Vergangenheit des Dorfes einordnete, sie beurteilte und kommentierte, der neben dem kritischen Blick aber zeigte, dass eine solche konservative Dorfgemeinschaft auch Konstanz und Geborgenheit geben kann. Die Tatsache, dass die Darsteller dieses Chores sich gemischt aus Schülern und Lehrern zusammensetzten und dass letztlich sogar das Publikum Teil dieser „Alten“ wurde, führte zu einer sicht- und spürbaren Verbundenheit der Schulgemeinschaft.
Und so erlaubte diese Theateraufführung gerade durch die Einbeziehung der verschiedenen Akteure an der Schule auch jedem Beteiligten eine direkte Übertragung auf das Schulleben und die Rolle, die jeder darin spielt: Schülerinnen und Schüler konnten sich unmittelbar mit ihren eigenen Aufbruchswünschen und -sehnsüchten auseinandersetzen, Lehrkräfte und Eltern sich Fragen zu ihrer Rolle als „Alte“ für die jungen Menschen stellen, die losgelassen und doch auch irgendwie gehalten werden wollen.
Damit bot diese Vorstellung neben einer schauspielerisch und technisch rundum gelungenen Aufführung auch das, was jede wertvolle Literatur den Menschen ermöglichen sollte: Sich mit sich selbst, seiner Identität und seiner Rolle in der Gesellschaft auseinanderzusetzen, ganz im Sinne Bertolt Brechts, der in seinem Stück Der gute Mensch von Sezuan am Ende formuliert: „Wir (…) sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Alle, die an dieser Aufführung mitgewirkt haben, haben sich für ihr Engagement und ihre Leistung großen Respekt verdient. Dazu gehören neben Anne Lindenberg und den Schauspielerinnen und Schauspielern auch die Technik-AG, die für Licht- und Toneffekte verantwortlich zeichnete, der Hausmeister Matthias Plaumann, der den Raum vorbereitete, der Förderverein, der die Theater-AG finanziell unterstützte, und die Nachhaltigkeits-AG, die sich um die Bewirtung vor der Aufführung kümmerte. Herzlichen Dank an alle!