Aktuelle Berichte

Scheffelpreisrede

Die diesjährige Scheffelpreisträgerin Lily Pöhlmann hat bei der Preisverleihung im Rahmen der Übergabe der Abiturzeugnisse eine Rede gehalten, deren Wortlaut Sie im Folgenden finden.

Guten Abend an alle meine Mitschüler:innen, deren Familien und Freund:innen, sowie natürlich auch das Lehrerkollegium und alle anderen Menschen, die heute zu dieser Abifeier erschienen sind!

Die meisten meiner Mitschüler:innen und einige Lehrkräfte kennen mich vermutlich schon, trotzdem möchte ich mich kurz vorstellen:

Mein Name ist Lilly Pöhlmann, ich bin die diesjährige Scheffelpreisträgerin des OGW, ich wusste bis gestern noch nicht, ob mich meine mündliche Matheprüfung nicht doch noch mein Abi kostet, und bin jetzt etwas nervös, diese Rede vor Ihnen allen zu halten.

Oh, und ich bin eine Collage.

Eine Collage aus Worten und Taten, Bildern und Erlebnissen, aus Momenten des Glückes und des Mutes, aber auch aus denen des Zweifels und der Hoffnungslosigkeit.

Eine Collage aus den vergangenen 18 Jahren meines Lebens, wovon ich insgesamt 12 in der Schule und acht davon hier am OGW verbringen durfte.

Eine Collage aus Gefühlen, Erinnerungen und Lebenslektionen, die nicht immer nur positiver Natur waren.

Nein, ganz im Gegenteil. Wenn ich so über meine Schulzeit, insbesondere über die Mittelstufe nachdenke, klingelt es mir heute noch in den Ohren. Da! Zwischen Sätzen wie: „Du bist so kindisch!“, „Du wirst das niemals schaffen!“ und „Du kannst das einfach nicht!“, da liegt die 13-jährige Version meiner Selbst, eingeklemmt, zerquetscht zwischen externen Meinungen, die bald zu ihren eigenen Selbstzweifeln und dem Verwerfen ihres frühen Kindheitstraumes, Künstlerin zu werden, führen würden.

Da! Unter ihrem damaligen Todfeind; der Gedichtanalyse im Deutschunterricht, da liegt sie hoffnungslos begraben.

Rückblickend ist das wohl eine der größten Antithesen in meinem Leben.

Immerhin war es ausgerechnet dieser Aufgabentyp, bei dessen Entdeckung ich in den Deutschklausuren der Oberstufe innerliche Freudensprünge gemacht habe, dessen Erfüllung so manche Tintenpatrone leerte und meiner Hand zu einem Eigenleben, zu einer Loslösung von meinem Kopf und dafür einer umso tieferen Verbindung zu meinem Herzen verhalf. Ja, vermutlich war es in einem hohen Maße meine starke Liebe zur Lyrik, die die Wahl des Deutsch Leistungskurses für mich unabdingbar machte.

Und vielleicht geht es manchen von Ihnen heute immer noch so, wie es meinem Mittelstufen-Ich damals auch erging. Vielleicht fragen Sie sich immer noch, wozu das Ganze überhaupt gut sein soll. „Was, wenn der Verfasser oder die Verfasserin eines Gedichts in seinem oder ihrem Text einfach keine tiefere Bedeutung beabsichtigt hat?“ Vielleicht sehen Sie Gedichtanalysen als eine pathetische Überinterpretation des Geschriebenen an, „immerhin sind viele Verfasser:innen der bekanntesten Gedichte längst tot, wie soll man also wissen, was ihre Intention hinter dem Geschriebenen war“?

Und ja, ich gebe es zu, Ihr Punkt ist valide. Vermutlich erscheint es auf den ersten Blick tatsächlich etwas pathetisch, gar subjektiv, einer Blume, nur weil diese blau ist, das Attribut der Sehnsucht und Unerreichbarkeit zuzuschreiben. 

Aber genau um diese eigene Subjektivität geht es bei Gedichtinterpretationen und im Fach Deutsch im Allgemeinen.

Und während so mancher an dieser Stelle vermutlich einwerfen würde, dass Subjektivität im Schulkontext nichts verloren hat, schon gar nicht, wenn dieser Wert ein ganzes Schulfach so maßgeblich bestimmt, ist es genau dieser Ausdruck der eigenen Gefühle, Erlebnisse - eben des eigenen Lebens und der Subjektivität - welcher das Fach Deutsch meiner Meinung nach unverzichtbar, besonders und wichtig macht. Ganz egal was es im Deutschunterricht zu analysieren, deuten oder interpretieren gilt, der Raum für den eigenen, subjektiven Ansatz ist immer gegeben. Und so erlernt man im Deutschunterricht neben Lesen, sprachlichen Regeln und Textverständnis eben auch einen Ich-Bezug herzustellen, seine eigenen Empfindungen in Worten und Stilmitteln auszudrücken und auf andere Situationen zu übertragen - wofür der Erwerb der Lese- und Schreibfähigkeit, sowie Grundkompetenzen in Sachen Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung in gewisser Weise unumgänglich sind. Meiner Ansicht nach, bilden diese Kompetenzen allerdings lediglich das Fundament, das Grundgerüst für den Bau des eigenen, individuellen, literarischen Hauses.

Ein Haus, welches man über die Jahre nach Belieben aufbauen und einrichten kann und dessen Gestaltung, dank des endlosen Spektrums der Literatur, keine Grenzen gesetzt sind. Ein Haus, das, eben wie die Literatur auch, zu einem Zufluchtsort werden kann, neue Welten eröffnet, zum Fantasieren und Tagträumen einlädt. Ein Haus, in dem man ganz man selbst sein kann, verstanden wird, in das man - zu jedem x-beliebigen Zeitpunkt- einkehren kann, ein Zuhause eben. Ein Zuhause, das für jede und jeden anders aussieht.

Und während sich in meinem Haus natürlicherweise viel fremde Literatur, die mir unter anderem im Deutschunterricht von Frau Koch nahegebracht wurde, befindet, sind auch und besonders meine eigenen Texte ein großer Einrichtungsbestandteil. 

Durch das Schreiben meiner eigenen Texte drücke ich mich nämlich selbst aus, finde einen Zugang zu meinen Gefühlen und verarbeite Erlebnisse und Erfahrungen. Texte, insbesondere Gedichte, zu schreiben, bedeutet für mich, meine Gedanken zu sortieren und diese festzuhalten, aber auch zu experimentieren, frei und ohne Zwang zu sein und Kunst zu schaffen, die man in Bildern nie darstellen könnte.

Wobei ich ganz ehrlich sein möchte, dass ich mich beim Schreiben wirklich zwanglos und frei fühle und meine Lyrik als Kunst anerkenne, dass sie ein fester Bestandteil meines literarischen Hauses ist, war nicht immer so.

An dieser Stelle möchte ich Sie auf eine kleine Zeitreise in das Jahr 2020 mitnehmen. Aber haben Sie keine Angst, an Corona werden Sie dadurch nicht erkranken, versprochen. ;-)

Wie so ziemlich jede:r in dieser Zeit suchte auch ich händeringend nach neuen Beschäftigungen und so stieß ich auf das Hobby, Texte zu schreiben. Von meinen Empfindungen gegenüber der damaligen Zeit, die, wie Sie sich womöglich selbst noch gut erinnern, von sozialer Isolation und Ungewissheit geprägt war, inspiriert, verfasste ich meine ersten Gedichte und das ausschließlich auf Englisch, da ich das Gefühl hatte, so meine Gedanken und Empfindungen besser zum Ausdruck bringen zu können. Rückblickend vermute ich, dass die Fremdsprache mir die nötige Distanz zu meinen Gefühlen und zu mir selbst bot, die ich zu der Zeit bewahren wollte und musste. Aber darum geht es jetzt nicht.

Was mir, neben dieser unbewussten Distanz, nämlich ganz bewusst wichtig war, war, dass sich meine Gedichte stets reimen mussten- immerhin ist ein Gedicht ja nur dann ein gutes, wenn es sich reimt, oder? Und so erinnere ich mich, wie ich Stunden damit verbrachte, das Internet nach Reimwörtern zu durchforsten, bis ich endlich das Richtige fand, nur um diesen Vorgang dann für die nächsten Verse zu wiederholen. Meine Gedichte veröffentlichte ich damals auf einer Plattform, auf der es überwiegend Fanfiction zu lesen gab, wobei ich die Qualität meiner Gedichte nahezu gänzlich von deren Leser-, Like- und Kommentaranzahl abhängig machte.

Über die Corona-Zeit hinweg schrieb ich also immer wieder vereinzelt Gedichte und kurze Geschichten, bis mein Hobby mit dem Auslaufen der heftigen Corona-Zeit im Herbst 2022 ebenso auslief. 

Erst gegen Ende des Jahres 2023 entdeckte ich das Schreiben von Gedichten wieder für mich- warum, weiß ich, um ehrlich zu sein, nicht mehr. Von nun an verfasste ich immer mehr meiner Gedichte auf Deutsch und ohne Verwendung eines eindeutigen bzw. konsequenten Reimschemas. In dieser Zeit lernte ich allmählich die experimentelle, künstlerisch-zwanglose Seite des Schreibens kennen und lieben.

Und heute bin ich stolz auf jedes einzelne meiner Gedichte, ganz egal ob es kurz oder lang, mit Reimen bestückt oder gänzlich reimlos ist. Ich bin stolz auf meine Werke, weil ich mittlerweile weiß, dass jedes von ihnen Kunst und ein Teil von mir ist. Und hätte man das alles der damals 14-jährigen Version meiner Selbst erzählt, hätte man ihr mitgeteilt, dass sie einmal als Scheffelpreisträgerin auf einer Bühne stehen und eine Rede vor so vielen Menschen wie sie es hier an diesem Abend sind, halten wird, dass ein Verlag daran interessiert ist, ihren Gedichtband herauszubringen, sie hätte vermutlich nur ungläubig abgewinkt. 

Und das mag jetzt vielleicht etwas kitschig klingen, aber was ich damit sagen will, ist, dass man niemals, unter keinen Umständen, aufhören sollte, seine Träume zu verfolgen, an ihnen festzuhalten und an sich selbst zu glauben! Ganz egal wie lange man etwas bereits macht, wie „gut“ oder „schlecht“ man darin ist, solange man selbst Spaß daran hat es zu tun, sollte man es weiterverfolgen, unabhängig davon, ob das Produkt dem „gesellschaftlichen Qualitätsmaßstab“ entspricht oder nicht! Durch meinen bisherigen- vor allem schulisch geprägten- literarisch-künstlerischen Werdegang, dessen Verlauf in gewisser Form einer Achterbahn gleicht, habe ich gelernt, dass es immer Menschen geben wird, die den Wert deiner Arbeit nicht sehen können, nicht sehen wollen, deine Arbeit nicht zu schätzen wissen, ganz unabhängig von den hineingeflossenen Mühen. Es wird immer Menschen geben, denen deine Arbeit schlichtweg nicht gefällt und das ist in Ordnung so! Denn zeitgleich gibt es ebenso diejenigen, die den Wert deiner Arbeit erkennen, während man selbst noch an diesem zweifelt, diese, so wie sie ist, gut finden, womöglich sogar lieben.

Und manchmal zeigen sich solche Menschen erst nach einer gewissen Zeit, auch wenn diese einen bereits seit Langem auf dem eigenen Weg begleiten, weshalb es umso wichtiger ist, an dem was einem Freude bereitet, dran zu bleiben!

Und an dieser Stelle möchte ich einer Person ganz besonders für ihre Unterstützung, für ihr Interesse und die Liebe, die sie meinen Gedichten entgegenbringt, danken. Hätte sie mich in den letzten Unterrichtsstunden vor dem schriftlichen Abitur nicht auf mein kleines, purpurfarbenes Notizbuch angesprochen, würde ich heute längst nicht dort stehen, wo ich es tue. (Und das gilt im wahrsten Sinne des Wortes, ich würde jetzt nicht auf dieser Bühne stehen und diese Rede halten.)

In diesem Sinne; Danke Frau Koch! Danke, für Ihr Interesse! Danke, für Ihre Unterstützung! Danke, dass Sie mich ermutigen, an meinem Traum Künstlerin zu werden, festzuhalten! Danke, dass Sie dazu beitragen, dass dieser Traum für mich greifbarer wird! Von ganzem Herzen, Danke!!

Danke aber auch an all die anderen Menschen, die mich diesbezüglich unterstützen und meine Arbeit zu schätzen wissen! Und generell möchte ich Ihnen allen danken, dass Sie mir Ihre Aufmerksamkeit geschenkt und zugehört haben.

Abschließen möchte ich meine Rede nun mit einem meiner Gedichte, es heißt „Dahliengarten“ und geht so:

Vorgarten ist kahl-
Dahlien bepflanzt.

Der Winter ist längst vorüber-
doch bleibt der Garten still.
Ich hatte doch Dahlien gepflanzt?

Hey!! Die Vögel zwitschern schon-
machen sich über den öden Garten lustig!
Wo bleiben Blüte, Knospe, Stiel?
Wurden die Dahlien gepflanzt?

Sommer vergeht, der Herbst er kommt!
Winter, Frühling-
Zeitenschwund
die Uhr sie tickt, Garten bleibt blank
Ich glaub‘ die Dahlie verschwand…

Gar niemand sah die bunte Pracht,
wie sie von Dahlien entfacht-
den Untergrund zum Strahlen bracht‘.
Versteckt, ganz heimlich nur für die,
die sie auch schätzen wollen könn‘.

Vorgarten wirkt kahl-
doch Dahlien erstrahl’n.

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